Zur Bastardisierung von deutscher Nationalhymne und DDR-Hymne

Aus den Tiefen des Netzes - zu meinen Aktivitäten

Genosse Schröder plant, am diesjährigen Tag der Deutschen Einheit, die DDR-"Nationalhymne" mit der gesamtdeutschen Nationalhymne durch einen Komponisten synthetisieren, besser bastardisieren zu lassen. Was soll da zusammengefügt werden, das doch nicht zusammen gehört?

Als Hoffmann von Fallersleben auf dem roten Felsen von Helgoland saß, da bedeutete "Deutschland, Deutschland über alles": über alle kleinstaatlerische und landsmannschaftliche Borniertheit hinweg für die Ideale der 1848-er Revolution, gegen Fürstenwillkür und für eine gesamtdeutsche Verfassung. Es ging nicht um Chauvinismus, sondern um einen revolutionär-demokratischen Impuls. Denn die Nation ist die konkrete Form der Demokratie.

Auch beschrieb "Von der Maaß bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt" nur den Ist-Zustand der Verbreitung deutscher Sprache und Kultur. (Es bestehen ja bis heute in Europa Zentral-Staaten, die weit über ein solches Gebiet hinausgegangen sind.) Wenn wir Deutsche nach zwei Weltkriegen gute Gründe haben, diesen Vers nicht mehr zu singen, so doch nicht, weil er damals chauvinistisch gewesen wäre. Wahr ist, dass Deutschland (in diesem Jahrhundert) eine Bedrohung für seine Nachbarn war. Wahr ist aber auch, dass jahrhundertelang die Nachbarn eine Bedrohung für Deutschland waren. Denken wir an den Dreißigjährigen Krieg mit seinem Westfälischen Frieden, nachdem sich die fremden Mächte auf unserem Boden grausam ausgetobt hatten. Oder an 1815 und auch an Versailles 1918. Hier war ja Deutschland schuldig und wurde mit einem dummen Frieden, der schon den Keim zum nächsten Krieg in sich trug, abgestraft. Aber hundert Jahre zuvor war doch Napoleon-Frankreich der Aggressor gewesen, und trotzdem wurde auf dem Wiener Kongress 1815 Deutschland nieder und geteilt gehalten. Weil die deutsche Teilung im kurzsichtigen Interesse Frankreichs, Russlands und Österreich/Ungarns lag, weil den Deutschen die staatliche Einheit so lange versagt bliebt, wendete sich der deutsche Nationalbegriff ins Völkische (Dohnanyi, 1990). Dies ist nicht nur unsere Schuld. Vor solchem Hintergrund ging es Fallersleben nicht um Nationalismus, sondern um die demokratische Emanzipation Deutschlands. Und "Einigkeit und Recht und Freiheit" war auch die Losung im Revolutionsjahr 1989. Dazu kommt die schöne Haydn-Melodie: dies ist die wahre gesamtdeutsche Hymne!

Anders die DDR-"Nationalhymne". Schon der suggerierte Begriff einer DDR-Nation ist eine Lüge. Aber war 1949 bei DDR-Gründung der rührende Vers: "Lasst uns dir zum Guten dienen / Deutschland einig Vaterland" nicht auf die deutsche Einheit gerichtet? Objektiv: Nein! Denn in Stalins Plan ging es um die Einheit nur unter kommunistischen Vorzeichen! Die ganze Beute sollte es sein. Da aber Sowjetdeutschland die "Liquidierung des Bürgertums als Klasse" zur Voraussetzung gehabt hätte (in Russland wurden ca. 20% der Menschen ermordet, in der DDR wurden sie vertrieben, d.h. konnten und mussten bis 1961 "mit den Füßen abstimmen"), da auch die Mehrheit der deutschen Arbeiter nicht von den Bolschewiki "befreit" werden wollte, war sie von Anfang an eine Spalterhymne, die Lebenslüge einer diktatorischen Minderheit.

Und sie führte in der zweiten Phase der DDR, der Honecker-Ära, eine kuriose Paria-Existenz: Sie durfte nicht mehr gesungen werden! (Mein Vater, ein patriotischer Kommunist, hat sich Anfang der Siebziger mal in die Nesseln gesetzt, als er bei einer Feier laut zu singen anfing, aber alle anderen Genossen, welche die neue Linie flinker mitgekriegt hatten, stumm blieben). Denn die Kommunisten hatten nach immerhin zwanzig Jahren begriffen, daß sie es politisch nicht schaffen würden, ganz Deutschland in den Griff zu kriegen (militärische Pläne gaben sie jedoch nicht auf). Erst seit den Siebzigern sollte dann eine "DDR-Nation" kreiert werden. Was das "Volk der DDR" davon hielt, sahen wir 1989.

Schauen wir uns die beiden kommunistischen Intellektuellen an, die für den Song verantwortlich sind. Johannes R. Becher, kein Arbeiterjunge, war ursprüngliche ein wilder expressionistischer und futuristischer Dichter. Mancher Futurist des Jahrhundertbeginns wurde später Faschist; Becher konvertierte zum Kommunismus, überlebte die Große Säuberung im Moskauer Exil (wie?) und wurde unter Ulbricht Kulturminister. Das größte Verdienst des Komponisten Hanns Eisler (auch ein Bürgersohn) ist vielleicht die Entdeckung Wolf Biermanns. Eisler war "Zwölftöner". Ich weiß nicht, wie viele schöne Melodien er geschrieben hat, die der DDR-Hymne aber soll er geklaut haben! "Goodbye Jonny, goodbye Jonny/ du warst mein bester Freund...". Getragen gesungen klingt es ungefähr so: "Auferstanden aus Ruinen/ und der Zukunft zugewandt."

Linke nehmen ja Manches nicht so genau. Genosse Schröder meinte noch 1979, er sei Marxist. Nun will er der "Genosse der Bosse" sein. Oder doch nicht? Geht es wieder nach links, zur SED/PDS, von der "Neuen Mitte" weg? Wenn ein Hymnen-Bastard am 3.Oktober als Symbol der Verschmelzung von Westdeutschen mit den Ostdeutschen aufgeführt werden soll, dann setzt Schröder die Lüge vom "DDR-Volk" fort. "Unsere Menschen" sagten die Ost-Bonzen - und meinten das Volk hinter Mauer und Stacheldraht. Mit den SED-Geiselnehmern kollaborierten SPD-Genossen in den 80-er Jahren. Schröder zeigt mit erneuter Anbiederung an die sogenannte PDS, was wir von ihm zu halten haben: Er war nie Marxist, nur Zeitgeist-Opportunist, nie moderner Wirtschaftspolitiker, sondern nur, im Gegensatz zu Edmund Stoiber, ein "Manager-Ministerpräsidenten-Darsteller", wie selbst der SPIEGEL schrieb. "Schröder ist der falsche Mann - drei Frauen können nicht irren" plakatierte unlängst eine Frau. Stimmt, Hallodri Schröder ist nur ein Schauspieler. Auf Gute Zeiten folgen bald die Schlechten Zeiten!

© Siegfried Reiprich

Zurück

Cookie-Einstellungen zurücksetzen