Tagung Kommunismus im Museum, Weimar, Oktober 2004 - ND

Tagung Kommunismus im Museum, Weimar, Oktober 2004 - ND, Seite 2

Diesen Zeitgeist widerspiegelte das 3. Internationale Symposium »Der Kommunismus im Museum«, veranstaltet in Weimar von der Stiftung Ettersberg gemeinsam mit der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Über 200 Teilnehmer aus sechs europäischen Ländern hatten sich versammelt, darunter Museumsleiter aus Budapest, Bukarest, Tallin, Riga, Vilnius, Warschau. Aus dem Ex-Vaterland aller Werktätigen, aus Russland, war niemand erschienen.
Volkhard Knigge, Direktor der Gedenkstätte Buchenwald, rügte zunächst die »selektive Aufmerksamkeit« in der nationalen wie internationalen Öffentlichkeit, die sich nur auf Verbrechen des Stalinismus konzentriert, aber die des Kapitalismus wie beispielsweise Kriegsverbrechen der französischen Kolonialmacht in Algerien oder heutige in Tschetschenien totschweigt. Zudem, so Knigge, ignorieren museale Darstellungen leider die Verheißung und Faszination, die der Kommunismus auf Millionen Menschen ausgeübt hatte, reduzieren sich nur auf Repressionen und Fremdherrschaft. Auch Bernd Faulenbach (Universität Bochum) rügte die »Konzentration auf Herrschaftsgeschichte«, die große Teile des Alltagsleben ausblende. Klaus-Dietmar Henke (Universität Dresden) zeigte zwar Verständnis für die »spektakuläre« Focussierung auf stalinistische Praktiken und Überwachungsapparate, monierte aber gleichfalls, dass damit kommunistische Wirklichkeit nicht vollends erfasst werden könne. Er forderte ein »Übergewicht der Wissenschaft« in der Dokumentation; Sichtweisen der Opferverbände würden »keineswegs immer segensreich wirken«. Rainer Eckert (Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig) datierte die Musealisierung des DDR-Sozialismus mit der Aufforderung an die Berliner Demonstranten am 4. November 1989, die Transparente nicht mit nach Hause zu nehmen, sondern zwecks späterer Ausstellung abzugeben.
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Die Tagung neigte sich dem Ende, als eine Studentengruppe ihre Eindrücke von einer Besichtigung osteuropäischer Museen mitteilte: Die Namen der Museen seien zumeist irreführend, denn oft gehe es in deren Darstellungen gar nicht um »den Kommunismus« als solchen, sondern nur um Erfahrungen einzelner Opfergruppen.
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Kaum einheimische Besucher (knapp 10 Prozent) zählt das von Exilanten gesponserte Museum in Riga, dass sich in jenem Gebäude befindet, im dem dereinst der roten lettischen Schützen gedacht worden war. Die Studenten informierten des weiteren darüber, dass im Entrée des Budapester Museum Kommunismus und Faschismus unzulässig gleichgesetzt werden. Besucher würden nicht als »mündige Bürger ernst genommen«, sondern »medial überwältigt« – als wären sie Analphabeten. Ziel der begleitenden Veranstaltungen sei die »Produktion unmündiger Sklaven, die ein verordnetes Geschichtsbild blind übernehmen«. Daraufhin diffamierte Siegfried Reiprich (Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen) die Studenten mit einem Nietzsche-Wort: Sie würden sich als »geistige Feldwebel der Nation« aufspielen. Eine Mitarbeiterin des Berliner Stasi-Unterlagen-Beauftragten schlug in die gleiche Kerbe. Worauf der »taz«-Osteuropa-Experte Christian Semler die Studenten leidenschaftlich in Schutz nahm und die Vorwürfe an deren Adresse »absurd« nannte.
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(ND 01.11.04)

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