Quo vadis CDU? Die Union und der Osten

Die Union und der Osten

Zur Lage 1989

Die DDR war die am stärksten entbürgerlichte Gesellschaft Ost-Mitteleuropas. Sie hatte von 1949 bis zum Mauerbau 1961 bereits nahezu 20 % ihrer Bevölkerung verloren, bzw. vertrieben, und zwar selektiv. Es "gingen" nicht die Ängstlichen, die Unkreativen etc. sondern die Mutigen, Schöpferischen, - Ingenieure, freie Bauern, Unternehmer, aufrechte Christen, freiheitsliebende Arbeiter. Die Zonengrenze wurde zur semipermeablen Wand. Sie blieb es auch nach 1961, wenn auch der "brain-drain" stark nachließ, um später wieder anzuschwellen. Denn die verbleibende Intelligenz sowie die nachwachsenden DDR-Generationen wurden bis 1989 immer wieder "geköpft", verloren Tausende durch Verfolgung, MfS-"Zersetzung", schließlich Gefängnis und Ausbürgerung. Der Volksmund fragte sarkastisch: "Was heißt DDR? ...Der Doofe Rest!" Wenn auch überspitzt, so bezeichnet dieser Witz doch ein reales Problem, daß zu benennen man den Mut aufbringen muß.

Die bleiben mußten oder wollten, waren einem, nach der "Klassenkampfzeit" zwar meist unblutigen, aber dafür umso deutsch-perfekteren Totalitarismus ausgesetzt: einer Erziehungsdiktatur, die im Säuglingsalter begann und auf nichts weniger als das Zentrum des Individuums zielte - die menschliche Seele. Hier liegt der Grund auch für die besonders radikale Entchristlichung Ost- bzw. Mitteldeutschlands. Sie ging bis tief in die evangelische Kirche, deren Führer mehrheitlich vor dem aggressiven Atheismus im Namen einer "Kirche im Sozialismus" kapitulierten. Ehrhart Neubert zürnt zu Recht: "Sie haben die soziale Frage zum goldenen Kalb gemacht, das sie aus dem eingeschmolzenen Schmuck der Kirche gegossen haben."2 Es ist bemerkenswert, daß die relativ kleine katholische Kirche der DDR sich tapferer gehalten hat. Das Eichsfeld in Nordthüringen hat auch noch im September 1998 zur Union gestanden.

Es gab in der DDR nur eine kleine oppositionelle Minderheit, eine etwas größere diktatorische Minderheit, aber ein große angepaßte, mit der Diktatur in Symbiose lebende Mehrheit. Zwischen angepaßter Mehrheit und diktatorischer Minderheit bestand ein stillschweigender Konsens; im Ökonomischen getreu dem sowjetischen Sprichwort: "Wir tun so, als ob wir arbeiten, und sie tun so, als ob sie uns bezahlen"; kulturell z.B. durch atheistische Jugendweihe statt Konfirmation, und so weiter. Die Mehrheit simulierte für die Oberen das Staatsvolk (99% Zustimmung bei der Wahl, Großdemo zum 1.Mai etc.), die Kommunisten gaben sich im Gegenzug damit zufrieden, daß aus dem Neuen Menschen ein kleinstbürgerlicher Nischenbewohner wurde, den mit dem Etikett "faschistoid" abzustempeln sich die westliche Linke nicht gescheut hätte, hätte sie nicht permanent weggesehen (wir denken, trotz allem, nicht so).

Die Symbiose zwischen Diktatur und angepaßter Mehrheit wurde in der revolutionären Situation 1989 (die Oberen konnten nicht mehr, wie bisher, die Unteren wollten nicht mehr, wie bisher - Lenin) von der Mehrheit aufgekündigt. Für einen glückseeligen Moment der Geschichte ergab sich ein Bündnis von nun rebellischer Mehrheit mit der oppositionellen Minderheit. Dann brach der von Selbstüberschätzung nicht freie Westen herein (bzw. die Kader von SED&MfS öffneten die Mauer?); der Große Helmut schien schnelle Erlösung zu bieten. Welch ein Mißverständnis! Denn als Helmut Kohl von "blühenden Landschaften" sprach, setzte er eigene gärtnerische Anstrengungen und vor allem Kreativität durchaus voraus. Dafür waren die, eigene Mitschuld am realsozialistischen Bankrott verdrängenden, werktätigen Massen aber weitgehend taub. Nicht, daß es keine großen Leistungen im Osten gegeben hätte (man vergleiche allerdings einmal mit z.B. Polen und Ungarn), aber noch immer wird mehr konsumiert als produziert, und kein Ende ist abzusehen.

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