Podiumsdiskussion um den Fall Kurras, Berliner Abgeordnetenhaus 7. Juli 2009

Die 68er-Bewegung und der Fall Kurras, von Uwe Soukup, Tagesspiegel 9.7.2009

- Erwiderung und Richtigstellung von Siegfried Reiprich

Sehr geehrte Herr Soukup,

sicherlich sollte man Verständnis dafür aufbringen, daß Sie den Diskussionsverlauf stark verkürzt wiedergeben.

Ich habe jedoch differenziert gesprochen und gerade nicht "die 68er" gesagt, sondern explizit die Verdienste von deren klügeren Vertretern gewürdigt (Schneider, "Der Mauerspringer", Fichter "SPD und die Nation"). Und ich habe sie nicht pauschalierend als "nützliche Idioten, verführte Idealisten und Linksfaschisten" bezeichnet, sondern daran erinnert, daß es jahrzehntelange marxistisch-leninistische Praxis war, Idealisten zu instrumentalisiern und zu "nützlichen Idioten" (O-Ton Lenin) zu machen, und war mir mit meinem Nachbarn Tilman Fichter einig, daß darin auch eine gewisse Tragik liegt. Daß in einer Massenbewegung auch Leute mitschwimmen, die im Sinne von Sloterdijk als "Linksfaschisten" bezeichnet werden müßten (oder auch im Sinne von Habermas, so ein Einwurf von Peter Schneider, dessen Richtigkeit ich sofort aktzeptiert hatte), und daß wirkmächtige Geheimdienste wie die Stasi diese benutzt haben könnten, um die Bewegung zu radikalisieren, habe ich wohl gesagt, aber eben damit nicht "die 68er" als Linksfaschisten abqualifiziert. Auch habe ich gesagt, daß ich als junger ostdeutscher Sozialist und Sohn eines katholischen Kommunisten mit ihnen sympathisiert hatte, fasziniert war und sie sogar in gewisser Weise bewunderte und einen biophilen Aufbruch sah - es gab nur eben auch eine andere, totalitäre Dimension. Und die bitteren Enttäuschungen angesichts der weitgehenden Entsolidarisierungen der West-68er gegenüber der DDR-Bürgerrechts- und Oppostiionsbewegung kamen später...

Ich lege großen Wert auf diese Feststellungen und bitte Sie herzlich, den
entstandenen falschen Eindruck durch Abdruck dieses Briefes zu korrigieren.

Mit freundlichen Grüssen

Siegfried Reiprich
stellv. Direktor
Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
Genslerstrasse 66
13055 Berlin
Tel.: 030/986082-402
Funk: 0173 721 1004
Fax: 030/986082-464
http://www.stiftung-hsh.de

Zurück

Cookie-Einstellungen zurücksetzen