Kommentar: Spitzel gegen Bürgerrechtler, Die WELT

Von Sven Felix Kellerhoff
9. Dezember 2009, 04:00 Uhr

So dreist muss man erst einmal sein: Ausgerechnet der sächsische Landtagsabgeordnete Volker Külow attackiert Siegfried Reiprich, den gestern ernannten neuen Direktor der Sächsischen Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft. Seine Berufung sei eine "üble Provokation" der Nazi-Opfer sowie eine "gravierende personelle und erinnerungspolitische Fehlentscheidung". Um die Chuzpe zu würdigen, die hinter dieser Attacke steht, muss man sich die Personen anschauen, um die es geht. Reiprich ist bisher stellvertretender Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Schon mit 18 Jahren stellte er sich 1973 in seiner Geburtstadt Jena gegen das SED-Regime, wurde jahrelang von der Stasi bespitzelt, mit "Zersetzungsmaßnahmen" drangsaliert, aus politischen Gründen exmatrikuliert und schließlich 1981 ausgebürgert. Auch im Westen behielt die Stasi ihn im Blick, und bis 1989 war er mit einem Einreiseverbot für die DDR belegt.

Volker Külow hat eine andere politische Biografie: Der Diplomlehrer für Marxismus-Leninismus spitzelte als IM "Ostap" an der Leipziger Karl-Marx-Universität für die Stasi, verriet kritische Studenten und Professoren, aber auch einen afghanischen Kommilitonen. Külows Berichte, die zum Großteil erst 2007 entdeckt wurden, umfassen meist viele eng beschriebene Seiten und sparen kaum eine Banalität aus. Der Spitzel wurde für seine Dienste für DDR-Verhältnisse hervorragend bezahlt: Mal gab es 350 Ost-Mark, mal 100, mindestens einmal auch ungleich viel wertvollere 50 D-Mark. Als diese Details bekannt wurden, bekannte sich Külow trotzig zu seinen Spitzeleien und sitzt die Vorwürfe seither aus - unterstützt von der Linkspartei in Sachsen. Ein Verfahren zum Mandatsentzug, das überhaupt nur in Sachsen möglich ist, scheiterte an Formalien. Natürlich hatte seine Partei sich hinter den IM gestellt.

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oder Download: Die WELT: Spitzel gegen Bürgerrechtler

Külows Biographie, inklusive Stasi-Outing auf Wikipedia
oder Download: IM Ostap alias Dr. (m/l) Kühlow

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