Kaltes Vermächtnis. Thomas Brussig zur Stasi im FOCUS 40/2005, Leserbrief dazu

Focus - Brussig

Während im November 1976 alle 'Pegasus'-Leute inhaftiert, verhört oder ausgebürgert wurden, wird Siegfried Reiprich nicht ein einziges mal zum Verhör geholt. Doch es wird ausgestreut, das stimme nicht, er habe 'gesungen'.

In der Haft in Hohenschönhausen wird mir im März 1977 aus der Ferne des Vernehmertisches ein Packen Papier gezeigt, mit der hämischen Bemerkung: 'Sehen Sie, Reiprich ist kooperativer als Sie.' Tatsächlich erinnere ich mich, seine Handschrift erkannt zu haben. Vielleicht waren es Studienunterlagen, beschlagtnahmte Briefe oder ähnliches. Ich reagierte nicht, aber ein kleiner Zweifel nagte seither."

Dieses Gift wirkte jahrelang und hat einiges zwischen uns Freunden be-, wenn auch nicht alles verhindert. Wahrheit und Lüge ließen sich erst wieder sauber von einander trennen, als die Stasiakten geöffent wurden. In diesem Fall nach 14 Jahren. Nicht alle unsere Akten waren vernichtet worden...

Mit freundlichen Grüssen

Siegfried Reiprich

P.S.: Dieser Brief wurde im FOCUS 42/2005 auf Seite 186 in gekürzter Form abgedruckt.

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