Der Fall "OV Opponent"

MfS-Akte OV

Das war im März 1996. Die Stasi trachtete danach, den OV "Pegasus" zu realisieren, d.h. die Leute zu verhaften oder - unter den Bedingungen der Entspannungspolitik unschädlich zu machen. Noch vor der Verhaftungswelle anläßlich unserer Proteste gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns im Herbst 1976 plante die Stasi "Zersetzung"...

Jürgen Fuchs in "Landschaften der Lüge" (Spiegel 48/1991) über Siegfried Reiprich

MfS-Akte OV "Pegasus"

Die Anwendung der operativen Zurückdrängungs- und Zersetzungsmaßnahmen wird differenziert durchgeführt und konzentriert sich auf ... ausgewählte Personen ... Es wird davon ausgegangen, dass

  • REIPRICH mit hoher Wahrscheinlichkeit nach seiner Exmatrikulation versuchen wird, eine bestimmte Rolle in dem operativ bedeutsamen Personenkreis in Jena zu erlangen und weitere antisozialistische Aktivitäten zu entfalten,
  • REIPRICH bereits 1975 vom MfS angesprochen wurde und seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit unserem Organ in anmaßender Weise verweigerte.

Auf der Grundlage dieser operativen Einschätzung wird mit den einzuleitenden operativen Maßnahmen zu REIPRICH die Zielstellung verfolgt:

  • im Kreis der Vorgangspersonen des OV "Pegasus" bis zu den Exponenten antisozialistischer Kräfte wie HAVEMANN, BIERMANN, FUCHS glaubhaft die Überzeugung hervorzurufen, dass REIPRICH mit dem MfS zusammenarbeitet;
  • die Isolierung des REIPRICH in den genannten Personenkreisen zu erreichen, um damit seine Wirksamkeit zu unterbinden;
  • durch Hervorrufen des Misstrauens gegenüber REIPRICH eine Verunsicherung der genannten Personen zu erreichen und kontinuierlich zu verstärken, um ihre antisozialistischen Aktivitäten einzuschränken;

Die bisherigen operativen Erfahrungen führen zu der Schlussfolgerung, dass ein Ausstreuen von Gerüchten über eine angebliche Zusammenarbeit mit dem MfS im Kreise der Vorgangspersonen nicht wirksam wird. Deshalb werden gemäß gestellter Zielsetzung folgende operative Mittel/Methoden angewandt:

  • Veröffentlichung einer Fotomontage in der Zeitung einer befreundeten Partei. Dieses Foto zeigt REIPRICH und einen in Jena bekannten Mitarbeiter des MfS, wobei das Motiv des Bildes zur Aussage "Frühling in Jena" o. d. passt.
  • Mehrfache anonyme Zusendung dieser Zeitungsfotos an ausgewählte Zielpersonen aus dem OV ,Pegasus' in Jena und Berlin, mit dem Hinweis auf die Verbindung des REIPRICH zum MfS.
  • Verstärkung des hervorgerufenen Verdachtes einer Zusammenarbeit REIPRICH's mit dem MfS durch weitere operative Maßnahmen wie unvorsichtige Treffbestellung, ungeschickte Verbindungsaufnahme u.a. auf der Grundlage der in der ersten Phase erreichten operativen Resultate.
    Differenzierter IM-Einsatz zur Unterstützung der sich aus den eingeleiteten operativen Maßnahmen ergebenden Gerüchte über eine angebliche Zusammenarbeit REIPRICHs mit dem MfS (z. B. Märtyrerrolle REIPRICHs als besonders raffinierte Methode des Eindringens des MfS in die interessierenden Personenkreise darstellen, Ausnutzung der Tatsache, dass REIPRICH bereits während seiner Armeezeit vom MfS angesprochen wurde u.a.). [...]

Jürgen Fuchs im Spiegel dazu: "Verantwortlich für die zitierte Maßname gegen Siegfried Reiprich: Leiter der KD Jena, Major Mittenzwei und Oberstleutnant Horn. Folgen: Siegfried Reiprich und Lutz Rathenow geraten in diesen Jahren tatsächlich, obwohl sie sich enorm standhaft verhalten haben, was jetzt dokumentierbar ist, in Spitzelverdacht...
Während im November 1976 alle 'Pegasus'-Leute inhaftiert, verhört oder ausgebürgert wurden, wird Siegfried Reiprich nicht ein einziges mal zum Verhör geholt. Doch es wird ausgestreut, das stimme nicht, er habe 'gesungen'.
In der Haft in Hohenschönhausen wird mir im März 1977 aus der Ferne des Vernehmertisches ein Packen Papier gezeigt, mit der hämischen Bemerkung: 'Sehen Sie, Reiprich ist kooperativer als Sie.' Tatsächlich erinnere ich mich, seine Handschrift erkannt zu haben. Vielleicht waren es Studienunterlagen, beschlagtnahmte Briefe oder ähnliches. Ich reagierte nicht, aber ein kleiner Zweifel nagte seither."

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